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3-Tages Familientour

Was tun, wenn eine dreitägige Familien-Wandertour auf dem Programm steht, die Zwölfjährige aber keine Lust aufs Wandern hat? Trotzdem machen! Ein Selbstversuch im Tiroler Alpbachtal.

Familienwandern in der Herbstsonne

Was tun, wenn eine dreitägige Familien-Wandertour auf dem Programm steht, die Zwölfjährige aber keine Lust aufs Wandern hat? Trotzdem machen! Ein Selbstversuch im Tiroler Alpbachtal.

Die Begeisterung der Tochter hält sich, gelinde gesagt, sehr in Grenzen, als sie von unseren Herbstplänen hört. „Wandern? Och nööö…“ Wandern ist nämlich so gar nicht ihr Ding. Behauptet sie jedenfalls. Wir Eltern hingegen lieben es, in der Natur unterwegs zu sein und die Landschaft im Schritttempo zu erleben. Eine Familienrunde im frühen Herbst scheint also genau das Richtige, um das Kind endlich vom Wandern zu überzeugen.

 

Sonniger Start & Ziegenfreunde

 

Sonniger Start
Der Dorfbrunnen plätschert, kräftig rot leuchten Geranien an den schmucken Holzhäusern. Schneeweiß steht die Kirche mittendrin. Es ist ein sonniger Oktobermorgen und wir stehen im hübschen Dorf Alpbach, das dem Tiroler Tal seinen Namen gegeben hat. Noch ein bisschen Verpflegung vom Dorfbäcker geholt, dann sind wir startklar. Drei Tage Familienwandern im Alpbachtal stehen auf dem Programm, eine Mutter-Vater-Tochter-Tour mit zwei Übernachtungen in Almhütte und Gasthof. Die letzten Häuser haben wir schon nach wenigen Minuten hinter uns gelassen und gehen nun durch satt grüne Bergwiesen bergauf. Braune Kühe gucken neugierig vom Fressen auf, ab und zu bimmelt eine, wenn sie einen Schritt weiter geht, um frisches Gras zu zupfen. Immer steiler steigt der Weg an, bald pusten wir Meter für Meter durch dichten Wald aufwärts. Als Norddeutsche sind wir so steile Berge nun mal nicht gewohnt… Eine hölzerne Aussichtsplattform belohnt später mit einem weiten Blick ins Alpbachtal. Die weiße Dorfkirche, an der wir vorhin losgegangen sind, wirkt von hier oben schon ziemlich klein.
            
Ziegenfreunde
Gemütlicher und weniger steil geht es weiter. Kurz vor dem Hösljoch bimmelt es wieder. Noch mehr Kühe? Nein, das Bimmeln klingt anders, heller und irgendwie hektischer: Es sind vier braune Ziegen, die sich uns kurzerhand laut meckernd anschließen. Die Tiere springen munter um uns herum, die Tochter schwankt zwischen Entzücken und Respekt. Offenbar für sie installierte Gatter umrunden die Ziegen mit stoischer Selbstverständlichkeit, manchmal tauchen sie auch einfach unter ihnen hindurch. Bleiben wir stehen, beginnen sie selbstvergessen an Blättern zu kauen. Versuchen wir uns davonzustehlen, sind sie innerhalb kürzester Zeit wieder da und bimmeln unverdrossen weiter. Wir akzeptieren schließlich, neue Freunde auf Zeit zu haben. Und die Tochter merkt, von den Ziegen ganz fasziniert, überhaupt nicht, dass wir weiter Meter und Meter Strecke machen.

Kinder beim Ziegenfüttern am Pinzgerhof | © Alpengasthof Pinzgerhof Kinder beim Ziegenfüttern am Pinzgerhof | © Alpengasthof Pinzgerhof

Blaue Steine für Schatzsucher

Als wir über die ersten Geröllauswürfe von weiter oben liegenden Stollen klettern, ist der Berg schon fast umrundet und wir befinden uns jetzt in seinem Schatten. Doch was ist hier eigentlich los? Noch mehr Erosionskegel und Schotterrinnen folgen. Und immer öfter leuchtet es türkis zwischen dem Steingrau der Felsen. Aha, eine Info-Tafel klärt uns auf: Schon vor tausenden von Jahren wurden hier um den Gratlspitz Kupfererze abgebaut, bis heute findet man Malachit, Azurit und weitere Mineralien. Das ist das Stichwort! Nach kurzer Zeit sind alle Taschen der Tochter mit leuchtenden Schätzen gefüllt und wir können uns nur deshalb losreißen, weil es im Schatten ohne Bewegung nun doch recht kalt ist. Weiter geht´s, zurück in die Sonne!

Türkise Steine Schatzsuche 3-Tages-Familientour

Urige Holzalm

Als das Ziel der heutigen Etappe auftaucht, haben die Bimmel-Ziegen wider Erwarten doch schon den Rückweg angetreten. Sie wissen offenbar genau, wo sie hingehören. Die alte Holzalm macht ihrem Namen jedenfalls wirklich alle Ehre, sie ist komplett aus Holz gebaut. Draußen sitzen Wanderer mit Schorle, Bier und Kaffee auf Bänken (natürlich auch die aus Holz), aus einem Brunnen plätschert Quellwasser. Almidylle pur. Und wir werden die letzten und einzigen Übernachtungsgäste in diesem Jahr sein! Den Nachmittag vertrödeln wir in der überraschend warmen Herbstsonne, bewundern Enzian und die ferne Bergsilhouette: Die harmonische Komposition in verblassenden Graublau-Tönen hätte ein Maler kaum schöner zu Papier bringen können. Abends serviert uns Monika, die junge Wirtin, die Spezialität der Alm, die berühmten Wiener Schnitzel aus der großen Pfanne, knusprig über offenem Feuer gebrutzelt. Das haben auch schon die Oma, von der sie die Hütte übernommen hat, und die Uroma vor ihr so gemacht. Danach kriechen wir noch vor zehn Uhr in die Betten. Wandern und die viele frische Luft machen müde. Und morgen geht´s ja auch früh auf die Gratlspitze!

Kind vor der Holzalm am Brunnen
Holzalm | © Alpbachtal Tourismus Holzalm | © Alpbachtal Tourismus

Hoch hinauf: die Gratlspitze

Flackernde Lichter, knirschende Schritte im Kies: Am nächsten Morgen wecken uns, noch im Stockdunkeln, zwei Wanderer. Sie gehen mit Stirnlampen an der Hütte vorbei, bestimmt wollen sie den Sonnenaufgang auf dem Gipfel erleben. Auch wir nehmen gleich nach dem Frühstück die Gratlspitze in Angriff, mit 1893 Metern der höchste Gipfel hier. „Ihr habt bei diesem klaren Wetter einen super Ausblick in alle Richtungen“, verspricht Monika. Das Gepäck lassen wir da, das können wir auf dem Rückweg mitnehmen. Erst durch Wald, in dem die Latschen in der Morgensonne zu duften beginnen, später über immer schrofferes Terrain geht es eineinhalb Stunden bergauf – ganz schön schweißtreibend! Von der Bank unter dem Gipfelkreuz blicken wir schließlich hinab ins Alpbachtal: Da ist sie ja wieder, die weiße Kirche! Miniklein steht sie da. Auf der anderen Bergseite liegen tief unten die Holzalm und weite Wiesen, dahinter erstreckt sich das Inntal mit der Autobahn, auf der die Fahrzeuge wie auf einer Ameisenstraße entlangkriechen. Unzählige Berge vom Karwendelgebirge bis zu den Hohen Tauern sind zu sehen – insgesamt sollen von hier mehr als 800 Gipfel auszumachen sein. Und ganze 26 Kirchtürme. Wir zählen ein paar, dann haben wir keine Lust mehr und genießen lieber schweigend das überwältigende Panorama.

Pinzgerhof Hausansicht Sommer | © Pinzgerhof Reith i.A.

Bergab zum Pinzgerhof

Inzwischen kommen weitere Gipfelstürmer an. Wir brechen auf und steigen um unzählige Fotos reicher den gleichen Weg wieder hinab. An der Holzalm stärken wir uns vor der zweiten Etappe der Wanderung mit einer letzten Johannisbeerschorle, bevor wir unseren Rucksack schultern und weitergehen. Fast nur bergab wird es heute gehen, über sattgrüne Almwiesen und durch würzigen Bergwald. Während die Kühe aus den höheren Lagen bereits ins Tal gebracht worden sind, muhen sie uns weiter unten bei der Silberbergalm noch von der Wiese entgegen. Vorbei an einer Felswand, die zwei Kletterer gerade gut gesichert erklimmen, wandern wir stets bergab bis zum heutigen Tagesziel, dem Pinzgerhof. Der Gasthof schmiegt sich in grüne Wiesen mit Apfel- und Birnbäumen. Gleich nebenan grasen sehr zufrieden aussehende Kühe. Die Tochter guckt mindestens genauso glücklich, als sie sich wenig später auf der Sonnenterrasse mit Blick ins Inntal hausgebackenen Kuchen und Eis schmecken lässt.

Kinder im Feld am Pinzgerhof | © Alpengasthof Pinzgerhof Kinder im Feld am Pinzgerhof | © Alpengasthof Pinzgerhof

Ein Kleinod in Reith & viele Kühe

Heute ist schon der letzte Tag der Wanderung. Schade, finden wir alle drei. Bevor es später zurück nach Alpbach geht, machen wir noch einen Abstecher nach Reith. Vom Pinzgerhof geht es dafür weiter bergab, erst auf einer Asphaltstraße, dann durch Wald. Nach einer halben Stunde sind wir da: Das Dorf überrascht uns nicht nur mit seinem wunderbarem Naturfreibad, einem See mitten im Zentrum (die wasserliebende Tochter bedauert es zutiefst, dass es zum Schwimmen trotz der Sonne, die heute schon wieder wie verrückt scheint, leider schon zu kalt ist). Sondern auch über eine weitere, ganz andere Wohlfühl-Oase: den Hildegard-Garten. Am Ende einer Wohnstraße unweit des Dorfzentrums gruppieren sich um den Springbrunnen „Quell des Lebens“ Beete mit Blumen und Kräutern, die der Lehre Hildegard von Bingens nach wohltuend und heilend auf den Körper wirken. Obwohl es bereits Anfang Oktober ist, gedeihen hier, gut geschützt, Salbei, Verbene und üppige Blumen in Rot, Gelb und Orange, angeordnet nach Anwendungsbereichen, etwa „Haut“, „Kopf“ oder „Magen“. Lange sitzen (was die Tochter angeht: liegen) wir auf einer Bank und lauschen dem beruhigenden Plätschern des Wassers. Dann mischt sich plötzlich ein anderes Geräusch hinein.

Was mag das nur sein? Ein immer lauter werdendes Bimmeln lockt uns neugierig zurück ins Zentrum. Keine Minute zu früh: Heute ist Almabtrieb, und gerade laufen die letzten Kühe mit Blumen-Kopfschmuck durchs Zentrum von Reith. Ein feierliches, traditionelles Ereignis, das vor allem die Wertschätzung der Tiere zeigt. Als die Kühe um die Ecke gebogen sind, machen wir uns, ein Eis auf der Faust, auf den Weg und wandern die restlichen Kilometer nach Alpbach. Durch meist dichten Wald laufen wir zurück zum Startpunkt, stehen später wieder neben der weißen Kirche, die wir vor Kurzem noch von der Gratlspitze spielzeugklein gesehen haben. Familien-Fazit? Eine wirklich tolle Runde, sehr abwechslungsreich und trotz der scheinbar nur wenigen Wegekilometer nicht unanspruchsvoll. Die Höhenmeter machen es, und die Bergluft, die wir Norddeutschen durchaus gemerkt haben. Der Gratlspitzen-Aufstieg zusätzlich war auf jeden Fall ein echtes Highlight, das man nicht verpassen sollte. Richtig klasse war auch, dass wir uns dank des fertig ausgearbeiteten 3-Tage-Pakets mit Gepäcktransport und Übernachtungen um nichts weiter kümmern mussten. Vielleicht das Beste aber war: Sogar die Tochter ist begeistert gewandert!

Ausblick vom Pinzgerhof in Reith i.A. | © Alpengasthof Pinzgerhof
Badesee Reith | © Alpbachtal Tourismus Badesee Reith | © Alpbachtal Tourismus
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